Briefe aus der großen Stadt an Seppi, dem Daheimgebliebenen auf dem Land.
Servus Seppi, alter Bazi,
neben unserem schönen Aubing entsteht gerade eine Retortenstadt: Freiham. Und auf der entsprechenden Facebook-Seite geht es schon richtig zu Sache. Einige Posts und Re-Posts auf dieser Seite machen nur noch traurig. Wo vor einigen Jahren noch Äcker und Felder waren, erstreckt sich jetzt bereits eine Betonwüste mit Hochhausbettenburgen. Das hat Auswirkungen auf die Menschen: Es wird jetzt schon wild um sich geholzt. Lärm, Müll, teure Mieten und schlechte Verkehrsanbindung. Dabei sind es gerade mal 6.000 Leute, die hier wohnen. Mindestens 30.000 sollen es werden, manche erwarten bis zu 100.000 und sind stolz ob der Erwartung. Herzlichen Glückwunsch! Wir, die seit Jahrzehnten in Aubing wohnen, hatten vor all dem gewarnt. Hätte es uns nicht gegeben, wäre nicht mal eine U-Bahn geplant. Mit der Straßenbahn (!) könnten dann alle fahren, denn Autos soll es ja auch nicht geben. Kommerz, nicht endend wollender Gierschlund und eine vollkommen verfehlte Planung der Stadt München führen zu einem neuen Riem oder Neuperlach mit Häuserschluchten und Straßen ohne Sonnenlicht. Und dann gehen sich die Leute auf die Nerven; wir werden sehen, wie hier mal die Polizeistatistik aussieht, denn Hass-Posts sind erst der Anfang. Straßennamen, die so ellenlang sind, dass sie in kein (Online-)Formular passen und von den Bürgern zukünftig ein Leben lang buchstabiert werden müssen; ein Mahatma-Gandhi-Platz mit orientalischen Bauten - zum Teufel, was hat die Architektur und der Name mit Bayern, München und Aubing zu tun? Warum heißt er nicht einfach "Freihamer Platz"? Wer wollte sich hier vereweglichen oder sich selbst verwirklichen? Der Stadtrat, der fern von Freiham wohnen darf und hier nicht muss? Warum dieses Sendungsbewusstsein? Freiham war früher ganz anders geplant gewesen, viel weniger Menschen, viel mehr Grün, viel niedrigere Häuser. Und komme keiner, dass mit diesem Moloch nun die Mieten sinken würden. Noch nie hat ein Baugebiet zu sinkenden Mieten geführt! Man schaue sich nur das Zam-Life an - ein Einkaufsviertel in Freiham mit sauteuren Wohnungen und einem 60 Meter hohen Wohnturm, von dem man aus die Berge sieht - welch ein Hohn! Dafür wird die Infrastruktur immer mehr belastet und kann schon längst nicht mehr mithalten. Schön wäre, wenn sich wenigstens die Neu-Freihamer nicht gegenseitig zerfleischen und uns Aubinger anschließen würden - im Guten. Ehrenamtlich mitarbeiten, in die Vereine gehen und versuchen das Beste draus zu machen. Und nicht auf unseren noblen und ganzkörperimprägnierten Stadtrat hoffen. Von dort wird es nur Durchhalteparolen und Schöngeistereien geben.
Deine Ringmayrs aus München.